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Ein Jahrhundert-Physiker

Einstein steht an einem Lesepult.

© ullsteinbild

In seinem "Wunderjahr" 1905 veröffentlichte Albert Einstein vier bahnbrechende Arbeiten. Jede einzelne von ihnen war nobelpreiswürdig. Sie begründeten eine völlig neue Sichtweise auf dem jeweiligen Gebiet der Physik - und lösten alle Probleme, Rätsel und Widersprüche der klassischen Physik auf. Eine sagenhafte, in der modernen Wissenschaft einzigartige Leistung, die er "nach Feierabend" - zu dieser Zeit war der erst 26-jährige Einstein in Vollzeit am Patentamt in Bern beschäftigt - vollbrachte. Mit Bleistift und Papier und ohne den Apparat einer Universität, ohne Assistenten, Labor und Fachbibliotheken.

 1879 Albert Einstein wird am 14. März als Sohn eines jüdischen Kleinunternehmers in Ulm geboren.
 1880 Die Familie zieht nach München um, wo Einstein später das Luitpold-Gymnasium besucht.
 1894 Der 15-jährige Einstein verlässt Deutschland ohne Schulabschluss und reist zu seinen Eltern nach Mailand.
 1896 Einstein holt im Schweizer Aarau sein Abitur nach und beginnt in Zürich ein Mathematik-und Physikstudium.
 1901 Einstein nimmt die Schweizer Staatsbürgerschaft an.
 1902 Durch die Vermittlung eines Freundes findet Einstein eine Stelle am Eidgenössischen Patentamt in Bern, wo er die nächsten sieben Jahre als Gutachter arbeitet. Nebenher promoviert er.
 1903 Einstein heiratet seine ehemalige Studienkollegin Mileva Maric´ und bekommt mit ihr drei Kinder.
 1905 In seinem annus mirabilis (Wunderjahr) schließt der 26-Jährige seine Dissertation ab und veröffentlicht drei weitere bahnbrechende Arbeiten: Die Erklärung des lichtelektrischen Effekts, für die er später den Nobelpreis bekommen wird, die Spezielle Relativitätstheorie einschließlich der Formel E=mc2 und die Erklärung der Brownschen Molekularbewegung. 
 1908 Habilitation an der Universität Bern.
 1913 Auf Betreiben mehrerer namhafter Physiker erhält Einstein einen Ruf nach Berlin, wo er frei von Lehrverpflichtungen forschen kann. Die Stelle tritt er 1914 an.
 1915 Einstein vollendet die Allgemeine Relativitätstheorie. Als Mitunterzeichner eines Manifests an die Europäer spricht er sich für den Erhalt der europäischen Kultur aus.
 1917 Direktor des neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik in Berlin.
 1919 Einstein lässt sich von Mileva scheiden. Die Sonnenfinsternis vom 29. Mai bestätigt eindrucksvoll die Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie, dass die Schwerkraft den Raum krümmt und damit das Licht ablenkt. Einstein wird auf einen Schlag berühmt. Hochzeit mit seiner Cousine Elsa Löwenthal-Einstein.
 1921 Albert Einstein erhält den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts – nicht für die Relativitätstheorie.
 1933 Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht. Einstein gibt seinen deutschen Pass ab.
 1939 Einstein unterzeichnet einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, um ihn auf die Möglichkeit einer atomaren Gefahr aufmerksam zu machen. An der Entwicklung der Atombombe beteiligt er sich jedoch nicht.
 1955 Albert Einstein stirbt in Princeton.

Einsteins physikalische Problemstellungen haben um die Jahrhundertwende auch zahlreiche andere bedeutende Wissenschaftler bewegt. Keinem seiner Kollegen jedoch gelang es in ähnlicher Weise die Vielfalt der Naturerscheinungen als einen einheitlichen Zusammenhang zu denken, davon allgemeine Prinzipien abzuleiten und die „Einheit der Natur“ in mathematische Formeln zu übersetzen. Damit wurde Albert Einstein zum Begründer des modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand eben dieser Weltbildbegriff im Fokus naturwissenschaftlichen Arbeitens. Die Lösung von physikalischen Teilproblemen sollte letztlich in eine zusammenfassende Darstellung der Welt, wenn man so will, in eine "Weltformel" münden. Einstein verschrieb sich wie kein anderer diesem ganzheitlichen Ansatz. Die Formulierung der "Allgemeinen Relativitätstheorie" im Jahr 1916 war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Die letzten 20 Jahre seines Lebens beschäftigte er sich mit der "Einheitlichen Feldtheorie". Ziel war es, eine Theorie zu formulieren, in der die Gravitation und andere Wechselwirkungen, insbesondere der Elektromagnetismus, in einheitlicher Weise beschrieben werden. Einstein gelang dies bis zu seinem Tode nicht. Überhaupt den Versuch unternommen zu haben, entsprach aber seinem eigenen Anspruch an die Wissenschaft.

Zu sagen, Einstein war seiner Zeit voraus, wäre eine maßlose Untertreibung. Ein Beispiel gefällig? Es dauerte sage und schreibe 99 Jahre - in der Wissenschaft eine Ewigkeit - bis es Forschern 2015 gelang, Gravitationswellen zu messen und damit endlich zu beweisen, was Einstein bereits 1916 wusste.

War Einstein ein "Nerd"? Als Wissenschaftler, ja! Er bewegte sich gedanklich in Themengebilden und physikalischen Welten, die kein anderer in seiner Zeit zu erschließen vermochte.
Als Mensch war er jedoch alles andere als einseitig interessiert. Einstein zeigte bereits früh Interesse an Philosophie, hatte eine Leidenschaft für Literatur und Musik. Er war zwar nicht im eigentlichen Sinne gesellig, aber doch gerne in Gesellschaft anderer Menschen. Heute würde man ihn wohl einen Bildungsbürger nennen oder einen Humanisten.

Einsteins wissenschaftliche Hypothese, dass alle Phänomene der Natur in Verbindung zueinander stehen und nur in ihrer Gesamtheit ihre Wirkung entfalten, übertrug er auch auf gesellschaftliche und politische Fragen. Er formulierte Ideen zu Regierungs- und Wirtschaftsformen, äußerte sich zu ethischen und philosophischen Fragen, prangerte wiederholt nationalistische, rassistische und militaristische Tendenzen öffentlichkeitswirksam an. Einstein war ein zutiefst moralischer Mensch, der die Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Menschheit sehr ernst nahm. Forschung um der Forschung willen, ohne ethisches Fundament, war für ihn undenkbar. Das führte ihn im Jahr 1939 in ein moralisches Dilemma. Nach Otto Hahns erfolgreicher Kernspaltung im Jahr zuvor, befürchtete er den Bau einer atomaren Waffe durch das nationalsozialistische Deutschland. Der Pazifist Einstein entschloss sich schweren Herzens, einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu unterzeichnen, der diesen aufforderte, den Bau einer Atombombe zu veranlassen. Einstein selbst war nach heutiger Quellenlage nicht aktiv an der Entwicklung beteiligt - an der moralischen Mitverantwortung trug er dennoch bis zu seinem Lebensende schwer.

Albert Einstein leistete mit seinem Lebenswerk einen unschätzbar großen Beitrag dazu, uns unsere Welt besser verstehen zu lassen. Und er kämpfte gleichzeitig leidenschaftlich dafür, das Leben auf ihr zu verbessern. Das war sein fundamentales Alleinstellungsmerkmal als Forscher. Diese beispielgebende Kombination aus wissenschaftlicher Brillanz und Moralität ist wohl auch ein wesentlicher Grund für seine bis heute ungebrochene Popularität.

Ist damit das Phänomen Einstein umfassend erklärt? Natürlich nicht. Albert Einstein hatte so viele Facetten, so viele Talente und Fähigkeiten. Nur die Gesamtheit aller ergibt das komplette Bild. Nur die Gesamtheit. Wie eben auch bei Einsteins grundsätzlicher Idee von der Physik und unserer Welt. Zufall? Vielleicht.